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Nähe: Wie viel tut uns gut?

Warum fühlen wir uns bei zu viel Nähe von Fremden unwohl? Warum halten wir stets einen bestimmten Abstand zu anderen ein? Unser Körper hat ein „eingebautes“ Distanzsystem, das uns schützt und bei der Kommunikation hilft.

Vielleicht kennen Sie das: Sie stehen in der Bahn und der fremde Fahrgast neben Ihnen rückt ständig näher. Sie fühlen sich unwohl, sind gestresst und möchten nur noch eines: sofort auf Abstand gehen. Woher kommt dieser dringende Wunsch?
In solchen Situationen verletzt das Gegenüber ganz einfach unsere persönliche Distanzzone – einen unsichtbaren Puffer um unseren Körper herum, der wie ein Schutzwall für uns ist. Diese Distanzzone wird auch als „peripersonaler Raum“ bezeichnet. 

Kurz erklärt: peripersonaler Raum

Der peripersonale Raum ist die direkte Umgebung, die wir mit unseren Armen noch erreichen können. In dieser Distanz können wir noch etwas greifen oder abwehren und sind auch noch in der Lage auszuweichen. Bestimmte Zellen, sogenannte peri­personale Neuronen, „überwachen“ diesen Bereich und reagieren schnell auf visuelle oder taktile Reize.

Eigentlich haben wir auch nicht nur eine Distanzzone. Vielmehr sind es etliche unsichtbare Zonen, die unser Gesicht, die Arme und den Oberkörper umgeben. Dringt etwas oder jemand in diese Zonen ein, lösen eben diese bestimmten Nervenzellen ein Ausweich- oder Abwehrverhalten aus. Wir empfinden es allgemein als unangenehm, wenn der Abstand, den wir selbst zu anderen bevorzugen, unterschritten wird. Dann schüttet der Körper verstärkt das Stresshormon Cortisol aus. Wie groß die persönliche Distanzzone ist, ist allerdings flexibel: Je nach Stimmung oder Umgebung kann sie sich ändern. In beängstigenden oder unangenehmen Situationen vergrößert sich der persönliche Distanzraum, speziell der von Frauen. Dieser Effekt tritt sogar auf, wenn wir einem aggressiven Gespräch zuhören, wie die Psychologin Eleonora Vagnoni feststellte.

4 Distanzzonen

Wann ist welcher Abstand zueinander angebracht? Womit fühlen wir uns in der Gesellschaft mit anderen wohl? Der US-amerikanische Anthropologe Edward T. Hall ging diesen Fragen nach und begründete 1966 die Lehre von der „Proxemik“. Nach seiner Theorie ist der Abstand, den Menschen zueinander einhalten, ein Mittel nonverbaler Kommunikation und auch davon abhängig, wie nahe sich die Menschen stehen und in welcher Kultur sie leben. In seiner Lehre unterscheidet er im zwischenmenschlichen Kontakt vier Distanzzonen

  • eine öffentliche, 
  • eine soziale, 
  • eine persönliche
  • und eine Intimzone. 

Die Intimzone befindet sich rund 45 Zentimeter um unseren Körper herum und ist meistens nur für den Partner oder die Partnerin, die Familie oder engste Freunde vorgesehen. 

Zum persönlichen Raum – der auch „Komfortzone“ genannt wird – zählt alles, was wir berühren, wenn wir uns mit ausgestreckten Armen im Kreis drehen. Diese Entfernung nehmen wir ein, wenn wir uns zum Beispiel mit anderen freundlich unterhalten oder die Hände schütteln. Kommt uns hier jemand Unbekanntes zu nahe, sind wir gestresst oder ängstlich.

Diesoziale Zone beträgt ungefähr 1,2 bis 3,6 Meter um uns herum. Sie ist der Abstand, den Fremde oder Geschäftspartner zueinander einnehmen. 

Die öffentliche Zone beginnt ab 3,6 Metern. Bei öffentlichen Vorträgen beispielsweise halten wir diese Distanz ein: wenn wir zuhören, aber nicht direkt in die Interaktion gehen.

Die Größe der Komfortzone kann von Mensch zu Mensch und auch von Mann zu Frau verschieden sein. Forscher haben zum Beispiel in zahlreichen Experimenten heraus­gefunden, dass  Frauen untereinander einen geringeren Abstand einhalten als Männer. Und dass sich im Alter unsere Komfortzone zwar generell ausdehnt, aber sie immer individuell verschieden ausfällt. Denn sie hängt zum Beispiel von der eigenen Persön­lichkeit und den Erfahrungen in der Kindheit ab. Was aber in allen Kulturen und bei allen Menschen gleich ist: Ein geringer Abstand gilt als großer Vertrauensbeweis. Verringern wir unseren Abstand sogar auf null, etwa bei einem Kuss oder beim Sex, ist das offensichtlich ebenfalls ein starkes Mittel der Kommunikation. Wir signalisieren dem anderen: Ich vertraue dir so weit, dass ich dir meine verletzlichsten Körperstellen preisgebe.

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Artikeleinstieg: yurolaitsalbert (adobestock.com)

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