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Gesund und entspannt durch Waldbaden – geht das?

Den Wald mit allen Sinnen zu erfassen und voll auf sich wirken lassen, kann sehr beruhigend sein. In Japan wird Waldbaden schon lange gegen Burnout oder Herzkreislauf-Erkrankungen verordnet. Viele gesundheitliche Vorteile lassen sich mittlerweile tatsächlich belegen.

Baden im Wald – auf japanisch „shinrin yoku“.

Diesen Begriff hat das japanische Forstministerium bereits im Jahr 1982 geprägt. Seitdem gilt es als Bestandteil eines gesunden Lebensstils. Japan hat über­durch­schnittlich stark mit psychischen Belastungen wie Burnout oder Überarbeitung zu kämpfen – es ist auch das einzige Land, in dem es ein eigenes Wort für „Tod durch Überarbeitung (karoshi)“ gibt. Neben der wohltuenden Wirkung auf die Psyche gibt es noch einen weiteren Grund für die Beliebtheit von Waldbaden in Japan: Viele Menschen glauben an Naturgötter, weshalb ihnen der Wald heilig ist.

shinrin yoku goes to Germany

Der Gedanke, im Wald neue Kraft zu schöpfen, hat auch in Deutschland eine lange Tradition – und auch in Deutschland nehmen psychische Belastungen stetig zu. Jährlich leiden rund 18 Millionen erwachsene Menschen an einer psychischen Krankheit. Kein Wunder also, dass Waldbaden mittlerweile auch in Deutschland angekommen ist. Wer sich mit Achtsamkeit beschäftigt und seit Beginn der Pandemie nach Erholungs­optionen außerhalb der eigenen vier Wänden Ausschau gehalten hat, kommt an dem Trend wahrscheinlich nicht vorbei. Aber: Was wissen wir tatsächlich über seine Wirksamkeit?

Wald gegen Kreislauferkrankungen?

Ein kurzes Waldbad verbessert Atmung, Puls und Blutdruck – auf dieser Annahme untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an japanischen Universitäten die Auswirkungen von Waldbaden auf die menschliche Psyche und Physis. Die wissenschaftlichen Grundlagen wurden an der Nippon Medical School in Tokio gelegt, wo hunderte Probandinnen und Probanden im Rahmen eines Experiments auf einen Spaziergang geschickt wurde: die eine in den Wald, der andere in die Stadt.

Anschließend wurde allen Teilnehmenden Blut entnommen und es zeigten sich höchst unterschiedliche Ergebnisse in Hinsicht auf die DHEA-Hormone, die Herzerkrankungen vorbeugen und die Herz-Kreislauf-Funktionen aufrecht halten. 

Bei der Waldgruppe war die Konzentration an DHEA-Hormonen deutlich erhöht, bei der Stadtgruppe war die Konzentration der Hormone unverändert. In einer anderen Studie schickte das gleiche Forschungsteam zwölf Probandinnen und Probanden für einen ganzen Tag in den Wald. Die anschließende Blutanalyse zeigte an, dass der Gehalt an natürlichen Killerzellen um fast 40 Prozent gestiegen war – diese Zellen töten Viren ab und zerstören Krebszellen. Der wissenschaftliche Leiter Quing Li empfiehlt zur dauerhaften Stärkung des Immunsystems pro Monat zwei Tage im Wald.

Grüne Lunge – gesundes Herz?

Auch in Deutschland wird kräftig hinsichtlich der Wirkung des Waldes geforscht, beispielsweise an der Berliner Charité – beziehungsweise in einem Forst am Wannsee. Hier wird momentan eine Studie durchgeführt, um in Erfahrung zu bringen, welchen Einfluss der Wald auf die Herzgesundheit hat. Es gibt Hinweise aus klinischen Beobachtungen und ersten Studien mit Naturtherapie, dass regelmäßiger Aufenthalt in der Natur sich günstig auf die Herzgesundheit auswirken kann. Hierzu zählen Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und kardiovaskuläre Erkrankungen. Auch eine niederländische Studie zeigt, dass dort, wo viele Bäume stehen, die Gefahr für Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislaufstörungen sinkt. Außerdem zeigt die Studie, dass Menschen, deren Wohnort von Bäumen umgeben ist, seltener Depressionen bekommen.

Der Duft des Waldes

Obwohl mittlerweile viele gesundheitsfördernde Aspekte des Waldbadens nachgewiesen werden konnten, steht fest, dass es keine Therapien oder Medikamente ersetzen kann. Es dient der allgemeinen Gesundheitsvorsorge und wirkt rein präventiv. 

Es lohnt sich, auch alleine einmal den Wald aufzusuchen, um zu entspannen. Derzeit wird vermutet, dass die Aromen des Waldes unsere Abwehrkräfte stärken können, wenn wir sie achtsam wahrnehmen. Diese Aromen heißen Terpene – Bäume nutzen Sie für Ihre Kommunikation untereinander. Terpene sind die wichtigsten Bestandteile ätherischer Öle. Pflanzen, Blätter und Rinde dünsten sie aus. Die Annahme: Nehmen wir sie über unsere Haut oder über unsere Lunge auf, beruhigt sich der Sympathikus – ein Teil des vegetativen Nervensystems, der in Stresssituationen Flucht- und Kampfreaktionen steuert. Und dass wir tatsächlich nicht sofort fliehen wollen, wenn wir erdfrisches Moos und harzige Fichtennadeln riechen, kann wahrscheinlich jeder von uns nachvollziehen.

Bildnachweis

Artikeleinstieg: Maridav (Adobe Stock)

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