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Entspannt stillen: Tipps von der Hebamme

Ist Muttermilch das Nonplusultra? Wieso schreit mein Baby beim Stillen? Und was tue ich gegen wunde Brustwarzen? Judith Herrmann, Leiterin des Hebammenteams bei der digitalen Hebammenberatung Kinderheldin, hat Antworten und Tipps rund um das Thema Stillen.

Das Baby bekommt die Brust, trinkt sich satt und ist glücklich. Gar nicht so kompli­ziert, oder? Doch, manchmal ist es das. Entzündete Brustwarzen, eine Saug­schwäche des Babys, zu wenig Muttermilch – das Stillen kann mitunter zu einer echten Heraus­forderung werden. Das Gegenteil übrigens auch: Entscheidet sich eine Mutter gegen das Stillen, kann auch das ein schwieriger Weg sein. Verurteilung von außen, Recht­ferti­gungsdruck, weshalb man nicht „das Beste“ für sein Baby will – aber ist es das wirklich? Ist das Baby mit Fläschchennahrung benachteiligt?

Wir sprachen mit Judith Herrmann, Leiterin des Hebammenteams bei der digitalen Hebammen­beratung Kinderheldin, über diese und viele andere Fragen zu diesem gar nicht so unkompli­zierten Thema.

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Als Mutter wird man plötzlich mit vielerlei Erwartungen konfrontiert. Da kann es schwerfallen, sich abzugrenzen. Es gibt so viele Vorstellungen davon, wie eine gute Mutter zu sein hat – ein Faktor ist für viele das Stillen. Aktuell sind wir wieder auf dem Stand: Wer nicht stillt, ist eine Rabenmutter. Das empfinde ich als äußerst gefährlich.

Judith Herrmann, Leiterin des Hebammenteams bei der digitalen Hebammenberatung Kinderheldin

Frau Herrmann, was sagen Sie als Hebamme: Ist Stillen für Babys das Nonplusultra oder darf es auch das Fläschchen sein?

Es darf auf alle Fälle auch ein Fläschchen sein. Natürlich ist die Muttermilch optimal auf unsere Bedürfnisse abgestimmt, aber wir haben hier auf dem deutschen Markt die am besten geprüften Fertigmilchnahrungen. Das ist schon ein sehr hoher Standard, mit dem die Babys gesund groß werden. Einzige Einschränkung: Wir empfehlen aus­schließlich die Pre-Nahrung, weil sie keinen Industriezucker enthält. Die Folgemilch enthält in der Regel Zucker und Stärke, was natürlich nicht gut ist. Die Kinder haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Diabetes. Aber mit Pre-Nahrung ist man wirklich gut bedient.

Gibt es denn gesundheitliche Vorteile beim Stillen, die Flaschennahrung so nicht bieten kann?    

Muttermilch enthält Antikörper für die Immunabwehr, die die Flaschennahrung nicht hat. Außerdem sollen Kinder, die mindestens vier bis sechs Monate lang gestillt werden, seltener an Atemwegsinfekten leiden und ein niedrigeres Risiko für Asthma und Allergien haben. Das Stillen bringt übrigens auch Vorteile für die Mutter mit sich: Wenn Frauen länger als zwölf Monate stillen, senken sie damit das Brustkrebsrisiko.

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Und nun auch mal zu den negativen Seiten: Welche Probleme kann es denn beim Stillen geben?


Wunde Brustwarzen – die sind kaum zu vermeiden, wenn man das Stillen beginnt. Und die können schon ganz schön schmerzhaft sein. Außerdem kann es zu einem Milchstau oder zu einer Brustentzündung kommen, wobei diese häufig stressbedingt sind. Für diesen Stress kann es viele Auslöser geben. Man kann sich selbst großen Druck machen, dass das Stillen unbedingt funktionieren muss, weil man ja eine gute Mutter sein will. Der Druck kann aber auch von außen kommen, eine übergroße Erwartungshaltung sein, dass eine gute Mutter natürlich ihr Kind zu stillen hat. Außerdem kann eine Frau sich durch das Stillen als alleinige Verantwortliche dafür fühlen, dass das Kind gut wächst. Das kann ein großer Druck sein. Und auch die fehlende Unabhängigkeit kann belastend sein. Das Gefühl, dass man als stillende Mama immer und überall für das Kind verfügbar sein muss. Dass es schwierig sein kann, in der Öffentlichkeit zu stillen, bindet die Mutter noch zusätzlich ans Haus. All dies kann dann zu einem Milchstau, einer Brustentzündung oder zu einer gestörten Stillbeziehung führen. Es kann auch passieren, dass die Milchproduktion nachlässt oder womöglich ganz ausbleibt.

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Kann auch das Baby Probleme mit dem Stillen haben?

Auf jeden Fall. Frühchen oder kranke Kinder können beispielsweise eine Saugschwäche haben. Anatomische Gründe können vorliegen wie ein verkürztes Zungenbändchen, das dafür sorgt, dass das Kind nicht richtig saugen kann. Es können beim Baby Blocka­den und Verspannungen vorhanden sein, die es ihm nicht möglich machen, die Brust­warze richtig zu erfassen. Nach schwierigen Geburten ist das häufig der Fall. Das Kind äußert seine Schwierigkeiten durch Schreien und Ablehnen der Brust, die Mutter hat das Gefühl, zu versagen – das setzt eine Stressspirale in Gang. Deshalb ist es hier wichtig, sich möglichst früh Hilfe von außen zu holen, damit sich der Stress nicht verfestigt.

Welche konkreten Tipps haben Sie da als Hebamme? Fangen wir mal mit den wunden Brustwarzen an.   

Hilfreich ist es schon mal zu wissen, dass es in neun von zehn Fällen nach zwei Wochen mindestens aushaltbar ist. Die Ausnahme sind die hellhäutigen, blonden Frauen, für sie ist es manchmal länger schmerzhaft, weil sie empfindlicher sind. Außerdem muss man auch von Anfang an die Saugtechnik des Babys in den Blick nehmen: Macht das Kind den Mund richtig auf? Ist nicht nur die Brustwarze im Mund, sondern auch der Warzenhof? Eine falsche Saugtechnik des Babys kann wunde Brustwarzen zusätzlich fördern. Linderung verschaffen können sich die Mamas beispielsweise mit Heilwolle, die sie sich in den Still-BH legen. Oder sie tröpfeln sich ein wenig Muttermilch auf die wunde Brustwarze. Auch spezielle Salben mit Lanolin beispielsweise können helfen. Wichtig ist hier nur, dass diese in Maßen verwendet werden. Denn durch ständiges Eincremen werden die Brustwarzen weich und damit noch anfälliger.

Und wie lassen sich Brustentzündungen und Milchstau verhindern?  

Beides lässt sich nicht immer verhindern, aber folgende Tipps könnten helfen: Ein ganz praktischer Rat ist, sich einen guten Still-BH zu gönnen. Er sollte bequem und auf keinen Fall zu klein sein. Außerdem sollte die Brust immer schön warm eingepackt sein. Und eben ganz wichtig: Stressreduktion. Sich nicht von äußeren Erwartungen stressen lassen und auch die eigenen herunterschrauben. Perfektionismus führt nur zu unnötigem Stress. Junge Mütter sollten möglichst auf das eigene Gefühl vertrauen und beim Stillen ihren ganz eigenen Weg gehen. Was auch bedeuten kann, dass man vielleicht gar nicht stillt.

Wieso das?

Eine Mama sollte ihr Kind stillen, weil sie es will. Und nicht, weil es ihr Umfeld von ihr so erwartet. Manche Frauen möchten es vielleicht gar nicht, beugen sich aber dem Druck von außen. Manchen ist dieser innere Konflikt auch gar nicht bewusst. Sie merken nur, dass es nicht gut funktioniert oder dass das Baby Stress hat. Deshalb ist es bei Stillproblemen auch immer wichtig, sich frühzeitig Rat von der Hebamme zu holen. Im Gespräch kann man ergründen, ob es psychische Blockaden gibt, ob die Technik nicht stimmt oder ob auch andere Dinge eine Rolle spielen. 

Sie erwähnen immer wieder die Erwartungen, die eigenen und die von außen. Weshalb sind die so hoch?

Als Mutter wird man plötzlich mit vielerlei Erwartungen konfrontiert. Da kann es schwerfallen, sich abzugrenzen. Es gibt so viele Vorstellungen davon, wie eine gute Mutter zu sein hat – ein Faktor ist für viele das Stillen. Aktuell sind wir wieder auf dem Stand: Wer nicht stillt, ist eine Rabenmutter. Das empfinde ich als äußerst gefährlich. Generell erleben wir als Gesellschaft in vielen Bereichen im Moment so viel Absolutes im Sinne von „Das ist das einzig Wahre“. Da gibt es keine Kompromisse, nur richtig oder falsch. Urteile werden sehr schnell gefällt.

Machen auch die Medien Druck?

Keine Frage, vor allem in den sozialen Medien wird das Thema sehr gehypt. Da sieht man so viele Promi-Mamas, die ganz entspannt ihr Baby stillen in einer Atmosphäre, die einfach unrealistisch ist. Das trifft ja auch den Zeitgeist, alle wollen wieder in Richtung Natürlichkeit. Es gibt aber Frauen, die nicht stillen wollen, aber auch viele, die es nicht können – wegen anatomischer Voraussetzungen, Vorerkrankungen oder Medikamenten zum Beispiel. Diese Frauen werden einem enormen Druck ausgesetzt und dafür angefeindet. Aber auch eine Entscheidung gegen das Stillen muss akzeptiert werden. Deshalb kann ich nur allen Mamas raten, möglichst bei sich zu bleiben, ehrlich zu sich selbst zu sein und ihren ganz eigenen Weg zu finden – ob mit Stillen oder eben auch ohne.  

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Bildnachweis

Artikeleinstieg: enigma images (istockphoto.com)
Portrait: Judith Herrmann (privat)
Im Text: NoSystem images (istockphoto.com)

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