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Im Selbsttest: eine Woche mit Dating-App

Neue Kontakte trotz Social Distancing? Dating-Apps sind die neuen Treffpunkte für Liebe, Freundschaft und Vergnügen. Studentin Charlotte hat sie für uns im Homeoffice ausprobiert.

Große Freude und leichte Aufregung – das ist in etwa die Gefühlslage, wenn die ersten Chats beginnen. Es fängt an mit einem einfachen Hallo, geht über ein tief greifendes Gespräch hinaus und führt schließlich zu einem realen Treffen. Dating-Apps können neue Kontakte zu Menschen ermöglichen, selbst von dort, wo man für gewöhnlich keine neuen Leute trifft  – auf dem eigenen Sofa.

Meine Einstellung zu Online-Dating vor dem Selbsttest

Ungewissheit und Neugierde. Denn meine ersten Versuche mit Dating-Apps liegen schon ein paar Jahre zurück. In der Zwischenzeit gab es genügend Veranstaltungen, Kneipentouren mit Kommiliton:innen oder simple Begegnungen in der Bahn. Doch davon fällt jetzt das meiste weg. Warum also nicht online neue Kontakte knüpfen?

Eine Frage des Geschmacks

Wichtig ist, dass ich mir im Vorfeld darüber Gedanken mache, was ich mir vom Online-Dating erhoffe. Denn Online-Dating kann die moderne Methode sein, die klassische Hollywood-Romanze zu finden. Es kann aber auch nur darum gehen, Menschen zu finden, mit denen man Gemeinsamkeiten hat, um Freundschaften zu schließen. Es gibt sehr populäre Apps, bei denen sich alles ganz klar um Liebe oder One-Night-Stands dreht, daneben gibt es aber auch zahlreiche Apps und Plattformen, bei denen gemeinsame Interessen und Freizeit im Vordergrund stehen. 

Falsche Flirts im Online-Dating

Die meisten Dating-Apps oder Onlineplattformen haben weitreichende Richtlinien, die User schützen sollen. So kann man schnell und einfach auf die Suche nach neuen Kontakten gehen. Aber Vorsicht: Es gibt auch Plattformen, die mit angestellten „Chatschreibenden“ und Fake-Profilen möglichst viele User bei Laune halten. Und das kommt den Usern teuer zu stehen, denn die Anbieter verlangen oftmals viel Geld für Nachrichten. Hier eine Übersicht des Verbraucherschutzes über Dating-Plattformen, die mit Fake-Profilen Geld verdienen.

 

Online-Dating ist eine gute Möglichkeit, um auf Kontakt­suche zu gehen. Und es macht sogar Spaß, weil einem immer wieder neue Menschen und Ge­schich­ten aufs Handy geschickt werden. Aber gerade das erzeugt auch immensen Druck. 

Charlotte Herhold

Der Selbsttest: Charlottes Dating-Tagebuch 

Der erste Tag mit Dating-App

Wie aufregend! Ich habe mich gefreut wie ein kleines Kind auf die Geschenke unterm Weihnachtsbaum. Nur schnüre ich hier selbst ein Paket. Ich erstelle mein Profil und überlege mir, was ich von mir erzähle und welche Fotos mich wohl am besten zeigen – so, wie ich eben bin. Danach folgt das Go: Jetzt bin ich online. Hier und da trudelt eine Nachricht ein, doch vor allem schaue ich mir Profile von etlichen Männern an: „Gefällt mir, gefällt mir nicht.“ Fast wie in einem Katalog. Ich überlege, welches Profil am besten zu mir passt. Drei Stunden sind nun vergangen und ich habe vorerst genug. 

Der zweite Tag mit Dating-App

Heute bin ich voller Tatendrang, ich denke, ich muss aktiv dabei sein, um in die Community einzutauchen. Das Ziel ist ja, neuen Menschen zu begegnen. Ich suche weiterhin Stunde um Stunde. Mal schicke ich nur ein winkendes Emoji, mal überlege ich mir einen persönlichen Chat-Einstieg. Dabei ergibt sich das eine oder andere interessante Gespräch. So richtig verfolgen will ich das aber nicht. Denn irgendwas fehlt da, das mich wirklich reizt, von meinem Sofa aufzuspringen und einen dieser Menschen zu treffen.

Der dritte Tag mit Dating-App

3 Tage, 280 Minuten und 798 Likes später lösche ich die von mir gewählte App. Mir ist das alles zu oberflächlich. Weil es etwas Grundsätzliches ist: Wenn ich mich für einen Menschen interessiere, sind mir Dinge wie ernst gemeinte Hobbys oder ein gemeinsamer Musikgeschmack wichtiger als Gepose im Fitnessstudio oder welche Körpergröße eine Person hat. Also lade ich mir eine neue App herunter, die verspricht, anhand von Antworten auf verschiedene Fragen Menschen zusammenzuführen. Mein Profil habe ich diesmal schneller erstellt und tatsächlich bin ich wieder etwas aufgeregt. Statt wild durch Profile zu stöbern, warte ich aber erst mal ab.

Der vierte Tag mit Dating-App

Im Vergleich zu der anderen App ist hier wenig los, es passiert nicht viel und auch nicht so schnell. Kein ständiges Bimmeln, keine Benachrichtigungen, dass irgendwem meine Fotos gefallen. Wenn ich das mit einem Kennenlernen in einer Bar vergleiche, beginnt man ja auch nicht alle 5 Minuten ein neues Gespräch mit einem bisher Unbekannten. Also alles in Ordnung so. Ich verbringe wieder meinen Abend am Handy, glaube aber, dass ich hier richtig bin. Stöbere so durch die Profile und stelle fest, dass mir wesentlich mehr Gesichter begegnen, für die ich wohl mal das Sofa verlassen würde. 

Der fünfte Tag mit Dating-App

Zeit und Bange. Irgendwie gehen diese beiden Dinge miteinander einher. Ich verbringe richtig viel Zeit damit, allen zu antworten oder einen Menschen besser kennenzulernen. So richtig will ich hier aber trotzdem nicht weg von zu Hause. Die Chats machen Spaß, aber lohnt sich das überhaupt? Hinterher ist es vielleicht verschenkte Zeit. Habe ich überhaupt Zeit dafür? 

Der sechste Tag mit Dating-App 

Heute hat sich das Ganze dann doch ausgezahlt: Optisch passt es und der Chat ist super. Aus Bange ist plötzlich Vorfreude geworden. Denn das Rumhängen in der App tausche ich gegen ein reales Treffen. Das Wetter spielt uns in die Karten und so geht es nun runter vom Sofa und raus in den Park zu einem Spaziergang.

Der siebte Tag mit Dating-App 

Außerhalb der App war es dann doch kein Match, aber immerhin eine reale Begegnung! Ich suche noch ein bisschen weiter, nur weniger enthusiastisch.

Charlottes Fazit:

Online-Dating ist eine gute Möglichkeit, um auf Kontaktsuche zu gehen. Und es macht sogar Spaß, weil einem immer wieder neue Menschen und Geschichten aufs Handy geschickt werden. Aber gerade das erzeugt auch immensen Druck. Und wenn es auch nur der ist, jemandem gefallen zu wollen, weil das nächste Match bereits in der Schlange steht. Was in meinen Augen wichtig ist: Sorgfalt und genug Zeit bei der Auswahl der richtigen App. Mit weniger Druck und mehr Geduld macht dann nicht nur das Swipen, also das Wischen von links nach rechts, Spaß, es macht es auch wesentlich entspannter, sich tatsächlich auf eine Person einzulassen.

Bildnachweis

Artikeleinstieg: Marcela Vieira (istockphoto.com)
Portrait: move:elevator

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