Lesezeit ca. 4 Min.

Was ist eigentlich Glück?

Was ist Glück? Was macht uns glücklich? Und wie wichtig ist Glück für unsere Gesundheit? Antworten hat die Glücksforscherin und Deutschlands erste Professorin für Positive Psychologie, Dr. Judith Mangelsdorf.

Prof. Dr. Mangelsdorf, was ist Glück eigentlich genau?

Glück ist vor allem eines, nämlich komplex. Es gibt drei Arten von Glück, die wir gemeinhin unterscheiden: Das Erste ist das glückliche Sein, also die Momente, in denen wir kurzfristig positive Emotionen erleben. Das Zweite ist das tiefe Lebensglück, beziehungsweise die subjektive Wahrnehmung eines erfüllten Lebens, und das Dritte ist der glückliche Zufall. Die ersten beiden dieser Formen des Glücks werden in der Positiven Psychologie systematisch untersucht.

Dr. Judith Mangelsdorf, Glücksforscherin und Deutschlands erste Professorin für Positive Psychologie

Sie sind überzeugt, dass das verkrampfte unbedingte Streben nach Glück nicht unbedingt der richtige Weg ist, um tatsächlich glücklich zu sein. Warum nicht?

Glück ist das Nebenprodukt eines gelingenden Lebens. Wenn ich erfüllte Beziehungen habe, einer sinnstiftenden Arbeit nachgehe und das Gefühl habe, ein zielgerichtetes Leben zu führen, dann macht mich das glücklich. Glückserleben ist der Hinweis der Psyche, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wer aber Glück zum Selbstzweck erklärt, negative Emotionen vermeidet und versucht, krampfhaft jeden Tag glücklich zu sein, ist im Allgemeinen unglücklicher als Menschen, die schlicht versuchen, ein gutes Leben zu führen.

Der Philosoph Søren Kierkegaard hat mal gesagt, die sicherste Art, sich unglücklich zu machen, sei es, sich zu vergleichen. Stimmt’s?

Ja und nein. Die entscheidende Frage ist, mit wem wir uns vergleichen. Lebenszu­frie­denheit ist nach dem kanadischen Wissenschaftler Alex Michalos das Resultat von drei Vergleichs­prozessen: dem Vergleich zwischen meinem jetzigen Leben und der Vergan­gen­heit, dem Vergleich zwischen mir und anderen und dem Vergleich dessen, was ich mir wünsche, und dem, was ich habe. Führe ich heute ein besseres Leben als früher, geht es mir besser als den Menschen, mit denen ich mich vergleiche. Entspricht das, was ich habe, dem, was ich mir wünsche, dann ist Lebenszufriedenheit und Glück das Resultat. Fällt der Vergleich aber negativ aus, dann hat Kierkegaard recht. Dann ist der Vergleich eine Art, mich unglücklich zu machen.

Laut Ihrer Forschung ist auch übermäßiger Medienkonsum eine Quelle des Unglücks. Welche „Dosis Medienkonsum“ empfehlen Sie?

Die geringstmögliche, die sich gut mit meinem Alltag und meinen Wünschen verein­baren lässt. Die Medienkonsumforschung zeigt relativ konsistent, dass starker Medien­konsum mit einer Vielzahl negativer Konsequenzen zusammenhängt und unter vielen Umständen unglücklich und sogar krank machen kann. Sowohl, weil er zum Teil starke negative Emotionen hervorrufen kann, aber auch, weil ich, während ich Medien konsu­miere, andere Dinge nicht tue, die positiv auf mein Wohlbefinden wirken, wie bei­spiels­­weise im Kontakt mit mir oder anderen zu sein oder mich in der Natur zu bewe­gen. Es gilt also: Je weniger, desto besser.

Was macht Menschen denn glücklich?

Glück speist sich aus vielen Quellen. Eines der bekanntesten Modelle der Positiven Psychologie zur Erklärung von Glück und einem gelingenden Leben ist das PERMA-Modell. Es steht als englisches Akronym für positive Emotionen, Engagement, Beziehungen, Lebenssinn und das Erreichen von Zielen. Wer also immer wieder aktiv für kleine Momente des Glücks sorgt, weiß, wofür er in seinem Leben brennt und seine Stärken einsetzt, in tiefe Beziehungen investiert, einem Lebenssinn folgt und die selbst gesteckten Ziele erreicht, der ist im Allgemeinen auch glücklicher.

Das PERMA-Modell

(P)ositive Emotions (positive Emotionen)

(E)ngagement (sich einbringen können)

(R)elationships (Beziehungen)

(M)eaning (Lebenssinn)

(A)ccomplishment (Zielerreichung)

Sie plädieren dafür, positive Mikromomente wahrzunehmen – was verbirgt sich dahinter?

Unser Alltag birgt eine Vielzahl von Momenten, die das Potenzial haben, uns eine kurze Begegnung mit dem Glück zu schenken: Die warme Tasse Tee oder Kaffee am Morgen, die ersten Frühlingssonnenstrahlen oder die Umarmung durch einen uns nahen Menschen. All diese kleinen Begebenheiten, die es in jedem Leben gibt, tragen aber nur zu unserem Glück bei, wenn wir sie bewusst wahrnehmen. Wer mit dem Kaffee in der Hand schon die E-Mails checkt, nur versucht, auf dem schnellsten Weg zum Ziel zu kommen, ohne auch nur aufzusehen, oder in Gedanken schon bei der Arbeit ist, während sich die Familie verabschiedet, erlebt dieses Glück nicht. Selbst in den schwersten Zeiten ist Glück eine Frage dessen, ob wir uns bewusst dafür entscheiden, es wahrzunehmen, und lernen, es auszukosten.

Das Glück neu entdecken

Mit einer achtsamen Haltung können Sie Ihrem Glück auf die Sprünge helfen. Denn Achtsamkeit hilft uns, alltägliche Momente zu erkennen und wertzu­schätzen und so das Glück neu zu entdecken.

Wir unterstützen Ihren Achtsamkeitskurs bei regelmäßiger Teilnahme zu 100 Prozent: www.audibkk.de/gesundheitskurse

Wie wichtig ist Glück für unsere Gesundheit?

Das regelmäßige Erleben von positiven Emotionen hat einen deutlichen Einfluss auf unsere physische und mentale Gesundheit. Zum einen, weil Glückshormone wie Sero­tonin oder Oxytocin helfen, das Stresshormon Cortisol zu reduzieren, und dadurch stressreduzierend wirken. Zum anderen wirken sich positive Emotionen sogar nach­weislich auf die Herzgesundheit aus und sind dadurch auch eine Form der Prävention. Dies sind nur wenige Beispiele – es gibt eine Vielzahl an Mechanismen, durch die sich das Erleben von Glück unmittelbar auf die Gesundheit auswirkt.

Wie wichtig ist denn umgekehrt Gesundheit für unser Glück?

Das ist tatsächlich ein sehr zentraler Aspekt. Natürlich können auch Menschen, die beispielsweise chronisch erkrankt sind, ein glückliches Leben führen. Je nach Krank­heits­bild und der Frage, mit welchen Einschränkungen die jeweilige Krankheit einher­geht, haben sie es allerdings zum Teil schwerer. Ein Mensch mit Schmerzen, geringer Belastbarkeit oder eingeschränkter Mobilität hat es mitunter schwerer, ein glückliches Leben zu führen, als Menschen, die sich einer guten Gesundheit erfreuen. Es wurde auch oft diskutiert, ob die fünf Elemente des PERMA-Modells nicht ergänzt werden müssten um einen weiteren, nämlich: Vitalität, also die Energie und Kraft, die mir zur Verfügung steht, um das eigene Leben zu gestalten und damit auch zum eigenen Glück beitragen zu können.

Können wir lernen, glücklicher zu sein?

Die ehrliche Antwort lautet: zum Teil ja, zum Teil nein. Unser Glück hängt im Wesent­lichen von drei Einflussfaktoren ab: den Genen, den Lebensumständen und der Lebens­gestaltung. Trotz epigenetischer Wechselwirkungen zwischen Genen und Umwelt lässt sich etwa ein Drittel der Unterschiede im Glückserleben auf unsere Gene zurückführen. Auch unsere Lebensumstände – dazu zählt zum Beispiel, in welchem Land wir leben – bestimmen einen Teil unseres Glücks. Und obwohl diese Faktoren schwer wiegen und man nicht immer seines eigenen Glückes Schmied sein kann, kann jeder dazu beitragen, dass es ein besseres Morgen gibt. Für sich selbst und für andere.

Bildnachweis

Artikeleinstieg: Aleksandar Nakic (istockphoto.com)
Portrait: TOBIAS SCHULZ
Im Text: PeopleImages (istockphoto.com)

Zum Weiterlesen: