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Mentale Stärke mit Rheinschwimmer Dr. Heß

Unterwegs mit Rheinschwimmer Dr. Joseph Heß: Er ist den gesamten Rhein in nur 25 Tagen hinuntergeschwommen. Ein Gespräch über Willenskraft – und darüber, wie andere Menschen dabei helfen, die eigenen Ziele zu erreichen.

„Wenn man mit dem Kopf die ganze Zeit unter Wasser ist, muss man mit sich absolut im Reinen sein“, sagt Dr. Joseph Heß, „sonst verliert man sich in Gedanken.“ In seinem Fall bedeutete „die ganze Zeit unter Wasser“: fast einen Monat lang acht bis zehn Stunden täglich.

Die Mission

Der Wirtschaftsingenieur aus Chemnitz hat seine Leidenschaft fürs Extremschwimmen früh bei einem 24-Stunden-Schwimmen entdeckt. Seine Vorliebe für lange Strecken führte ihn vom Becken zum Freiwasser, 2017 durchschwamm er die Elbe. Nach einigen Jahren der körperlichen Regeneration, in denen er promovierte und ein Haus baute, sollte der Rhein sein nächstes Schwimmprojekt werden. Von der Quelle bis zur Mündung – so lautete die Mission.

Die Wissenschaft spielt eine wichtige Rolle

Doch sein Projekt sollte noch einen größeren Sinn haben: „Ich bin Wissenschaftler. Daher war für mich von Anfang an klar, dass ich die Wissenschaft in das Projekt einbeziehen will – und zwar in den Bereichen, die mich auch interessieren und bei denen ich weiß, wo aktuell die Grenzen des Wissens liegen. ‚Verdauung bei Lang­streckensport‘ oder ‚die Psyche bei Langstreckensport zum Beispiel“, erklärt Dr. Heß. Um das Projekt aus vielen wissenschaftlichen Perspektiven zu beleuchten, ließ sich der Extremschwimmer von verschiedenen Forschungsinstituten begleiten – von Sport­psychologie über Sportmedizin bis zu Hydrochemie. So wurden unter anderem die Motivation und die körperliche Reaktion des Sportlers, aber auch die Wasserqualität des Rheins untersucht. Zu den insgesamt vier Instituten kamen noch diverse
Sponsoren und vor allem: Freunde.

Starke Unterstützung durch Freunde

„Als das Projekt feststand, war das Erste, das ich gemacht habe, Freunde anzurufen“, erzählt Heß. „Drei habe ich gefragt, ob sie mitkommen wollen, und alle drei haben zugesagt. Der eine Freund hat seinen Job gekündigt, der andere hat seinen Jahres­urlaub und der dritte ein Sabbatical genommen.

Faktor Motivation

Die Freunde waren für mich eine besondere Motivation. Denn neben dem enormen Zuspruch bedeutete das ja auch unterwegs: Wenn ich jetzt abbreche, hat jemand umsonst seinen Jahresurlaub aufgebraucht, seine Kündigung eingereicht, sein Sabbatical beantragt und die Forschungsprojekte scheitern auch. Ich habe mir die Hürden dadurch also absichtlich hochgesteckt.“

Dr. Joseph Heß ist Wirtschaftsingenieur und in seiner Freizeit Extremschwimmer. Der Audi BKK Versicherte hat bereits die Straße von Gibraltar durchschwommen, die Elbe und zuletzt den Rhein.

Planung bis ins kleinste Detail

Aus der Planung des Vorgängerprojekts auf der Elbe hat Heß viel gelernt und in der Planung für das Rheinprojekt dementsprechend berücksichtigt. Über ein Jahr lang hat er außerdem immer wieder mit dem deutschen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt gesprochen, um den gesamten Rhein kennenzulernen und ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten. Also einen Rahmen zu stecken, innerhalb dessen sich der Extremschwimmer gefahrenlos bewegen kann.

Vorbereitung auf große Strapazen

Weil der Rhein so niedrig stand und die Strömung dadurch recht gering war, musste Heß an manchen Tagen bis zu dreizehn Stunden schwimmen anstelle von geplanten acht. Doch auch das konnte den Extremschwimmer nicht aus der Fassung bringen. Wie bereitet man sich auf ein derart kräftezehrendes Unterfangen vor?

„Ich war zwei Jahre lang fünf- bis sechsmal pro Woche schwimmen. Meistens sechs Kilometer und einmal die Woche zehn. Dazu ein Cardio-Training mit Radfahren, Jogging und on Top noch Fitnessstudio. Vor allem habe ich aber auch meinen Schwimmstil verbessert: Auf der Elbe hatte ich mir beim Kraulen damals das Schulterblatt entzündet. Kraulen ist sehr kraftintensiv,
die Schultern sind auch relativ starr. Für den Rhein habe ich mir daher eine neue Schwimmtechnik antrainiert, die sich ‚Total Immersion‘ nennt – totales Eintauchen. Der Vorteil: Das Schulterblatt und der ganze Körper rotieren. Das kostet ein bisschen Geschwindigkeit, schont aber die Gelenke und ist
weniger kraftraubend.“

„Wenn der Körper schwach wird, ist mentale Stärke alles.“

Dr. Joseph Heß

Die Gesundheit im Blick behalten

Trotzdem gab es auf der Strecke natürlich Momente, die den Extremschwimmer an die Grenzen seiner Kräfte brachten: „Gleich am Anfang, im Bodensee, hatte ich ‚Magen-Darm‘. Ich gehe davon aus, dass das gewissermaßen normal ist bei so langen Strecken, da unsere Verdauung eigentlich für die Vertikale vorgesehen ist. In der Elbe hatte ich das auch, das dauerte zweieinhalb Tage. Daher dachte ich: Das zieh ich jetzt durch. Wenn der Körper leidet und an seine Grenze kommt, ist mentale Stärke der entscheidende Faktor. Hätte ich aber Herzrasen bekommen, hätte ich aufhören müssen. Ich bin ja kein Irrer, der seine Gesundheit riskiert. Zum Glück ging es nach einigen Tagen wieder.“

3 Tipps für mentale Techniken

  • Als Motivation hatte Dr. Heß die ganze Zeit das große Ziel vor Augen: den Hafen von Rotterdam. Um sich selbst immer wieder anzuspornen, hat er einige Techniken genutzt: „Gedanklich habe ich den Rhein für mich ‚zerlegt‘ – für jeden Tag habe ich mir etwas rausgesucht, worauf ich mich freuen konnte. Der Gedanke an die komplette Strecke hätte mich eher entmutigt.
  • Abends hat es mir dann immer geholfen, mir eine Traumreise anzumachen. Ich war da lange Zeit voreingenommen, aber mental an einen anderen Ort geführt zu werden half mir wirklich beim Runterkommen. Die aktivierenden Übungen funktionieren ähnlich. Dafür habe ich in einer Sitzung mit dem Sportpsychologen einen ‚Happy Place‘ bestimmt. Diesen einfachen psychologischen Trick, dass man ein positives Gefühl mit einem bestimmten Ort verbindet und sich diesen Ort ins Gedächtnis ruft, wenn man ein bestimmtes Gefühl reproduzieren möchte, kann ich sehr empfehlen.
  • Andere Techniken benutze ich auch schon seit Jahren: Ich spreche beispielsweise ein längeres Mantra vor mich hin. Es lautet: Rise and Shine. Klingt vielleicht kindisch, aber es hat mir geholfen. Dieses Mantra kenne ich aus einem Video über Michael Phelps, einen der weltbesten Schwimmer. Darin ging es um den inneren Kampf gegen sich selbst und wie man siegreich daraus hinausgeht; untermalt mit heroischer Musik – wenn das erst mal im Kopf losgeht, kann mich nichts bremsen.“

Endlich am Ziel

Und 1.200 Kilometer später war es dann so weit. An einem Mittwochmorgen im Juli hatten Josef Heß und sein Team die Nordsee erreicht. Freunde und Familie hatten den weiten Weg auf sich genommen, um ihn am Ende seiner Reise zu empfangen. Viele hatten ihn unterwegs begleitet – am Ufer, bei den Pausen oder in den sozialen Netzwerken – und fragen sich: Woher nimmt man diese Willenskraft? „Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, mir ein Ziel zu setzen und dann die Absprungshürden hoch anzulegen, damit ich nicht einfach abbrechen kann. Ansonsten: Mut, etwas Naivität und einfach mal ins Machen kommen – dann kann man schon viel erreichen.“

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Bildnachweis

Artikeleinstieg: Heiko Laschitzki
Portrait: Heiko Laschitzki

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