Cannabis: Wie Eltern ihre Kinder schützen können
Eltern befürchten, dass ihre Kinder durch das neue Gesetz leichter mit Cannabis in Berührung kommen. Dr. Peter Raiser, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V., erklärt, wie Eltern mit ihren Kindern ins Gespräch kommen und wo es Hilfe gibt.
Jugendliche sind neugierig und wollen sich ausprobieren, das ist in dieser Lebensphase ganz normal. Dazu gehört manchmal auch das Experimentieren mit Drogen. Das neue Cannabisgesetz der Bundesregierung weckt nun bei Eltern die Sorge, dass ihre Kinder leichter als bisher mit Cannabis in Berührung kommen könnten. Wie können Eltern ihre Kinder aufklären und sie stark machen gegen die Versuchung?
Das neue Cannabisgesetz
Seit April 2024 ist das neue Cannabisgesetz in Kraft. Der Besitz und Anbau von Cannabis sind damit in Deutschland nun für Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen legal. Das Gesetz sieht außerdem vor, dass Konsumenten Cannabis auch über nicht-kommerzielle Anbauvereine beziehen können. Gleichzeitig wird der Verkauf der Droge an Jugendliche härter bestraft.
Herr Dr. Raiser, was können Eltern tun, wenn ihr Kind Cannabis konsumiert oder es unbedingt ausprobieren möchte?
Es ist wichtig, das Gespräch mit den Kindern zu suchen und sich im Vorfeld umfassend über Cannabis zu informieren: die Risiken des Konsums zu kennen und zu wissen, wie es wirkt – positiv wie negativ. Was sind die kurzfristigen, was die langfristigen Folgen? Wie und in welcher Intensität wirkt es? Es ist sehr sinnvoll, sich gut auf das Gespräch vorzubereiten, um glaubhaft zu sein.
Und dann ist es wichtig, die eigene Einstellung zum Konsum von Drogen – und dazu gehört auch Alkohol – zu überprüfen. Sich ehrlich zu fragen: Was lebe ich vor? Wie gehe ich selbst zum Beispiel mit Alkohol um? Wie selbstverständlich gehört er zum Tagesablauf, wie normal ist er in der Familie? Wird zum Beispiel abends regelmäßig Bier oder Wein zum Essen getrunken? Jugendliche beobachten sehr genau, was ihre Eltern vorleben. Ein selbstverständlicher Umgang mit Alkohol wird von Jugendlichen auf den Konsum von Cannabis übertragen. Deshalb ist es wichtig, im Gespräch mit den Kindern informiert und vor allem authentisch zu sein.
Es ist auch sinnvoll, sich nach Suchtberatungsstellen in der Nähe des Wohnortes zu erkundigen. Diese bieten oft spezielle Elternsprechstunden an, in denen man sich mit Fachleuten und eventuell auch mit anderen Eltern austauschen kann.
Was sind die Risiken beim Konsum von Cannabis?
Besonders bei Cannabis sind die Risiken für Kinder und Jugendliche hoch, viel höher als bei Erwachsenen. Denn Cannabis beeinflusst die Entwicklung im Jugendalter in besonderem Maße. Es ist auf jeden Fall besser, Cannabis in der Entwicklungsphase überhaupt nicht zu konsumieren.
Cannabiskonsum bei Jugendlichen: Risiken und Folgen
Direkte Folgen des Cannabiskonsums:
- Beeinträchtigung von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Kurzzeitgedächtnis
Langfristige Folgen:
- Wer schon in der Jugend kifft, ist beispielsweise anfälliger für Psychosen, Depressionen oder Abhängigkeit.
- Außerdem gibt es schädliche Auswirkungen auf die Atemwege.
- Auch ein negativer Einfluss auf das Hormon- und Immunsystem wird vermutet.
- Bei Jugendlichen besteht zudem ein erhöhtes Risiko, von Cannabis abhängig zu werden: Es können sich eine starke psychische und eine leichte körperliche Abhängigkeit entwickeln.
- Intensiver Konsum führt häufig zu sozialem Rückzug und Gleichgültigkeit gegenüber den Anforderungen des Alltags.
Wie suchen Eltern am besten das Gespräch mit ihren Kindern und verdeutlichen ihnen die Gefahren, die vom Cannabiskonsum ausgehen?
Wie man in die Diskussion einsteigt, hat natürlich auch immer etwas mit dem eigenen Erziehungsstil zu tun. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass Verbote und Strafen wenig Erfolg versprechen. Viel wichtiger ist es, Ruhe zu bewahren, Verständnis zu zeigen, Hilfe anzubieten und Risiken ehrlich zu erklären. Nur so können Kinder überzeugt werden. Glaubwürdigkeit ist sehr wichtig.
Woher besorgen sich Kinder und Jugendliche Cannabis?
Man muss es wissen: Cannabis ist für Kinder und Jugendliche nach wie vor verboten. Sie dürfen weder selbst anbauen noch Mitglied in einem Anbauverein sein. Aber es gibt natürlich immer Wege, an die Droge zu kommen. Der Großteil des Cannabiskonsums wird tatsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrieben. Das war schon immer so und wir gehen davon aus, dass das auch so bleiben wird. Deshalb gehen wir davon aus, dass es auch weiterhin einen Schwarzmarkt geben wird, auf dem sich Jugendliche Cannabis besorgen können. Sie sprechen zum Beispiel ältere Freunde oder Bekannte an, die sie aus der Schule oder dem Verein kennen. Die Mechanismen bleiben dieselben.
Deshalb ist es so wichtig, Prävention speziell für Kinder und Jugendliche zu betreiben und immer wieder das direkte Gespräch zu suchen: zu Hause, in der Schule, beim Sport und in den Vereinen.
Was stärkt Kinder und Jugendliche, sodass die Versuchung Drogen zu konsumieren erst gar nicht so groß wird?
Die Jugend ist eine Zeit, in der naturgemäß viel ausprobiert wird. Es ist wichtig, die Risiken zu kennen und zu kommunizieren, aber auch die Jugendlichen zu fördern: ihre Talente zu sehen und sie in dem zu unterstützen, was ihnen Spaß macht, zum Beispiel Sport zu treiben oder Musik zu machen. Dann haben sie eine Beschäftigung, die sie erfüllt und glücklich macht. Interessen zu fördern ist ein guter Weg, Drogen unattraktiv zu machen. Und es ist sehr wichtig herauszufinden, warum ein Kind Drogen nimmt. Ist es Neugier oder sind es Frustration, Kummer oder Sorgen? Dienen die Drogen als Bewältigungsstrategie? Dann ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich von Fachleuten beraten zu lassen, zum Beispiel in einer Drogenberatungsstelle.
Es ist sehr wichtig, als Eltern mit den Kindern und Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, ihnen zu zeigen, dass man sich ernsthaft für ihre Sorgen und Probleme interessiert. Ihnen zu zeigen und zu sagen, wir sind immer für dich da, wir sind immer gesprächsbereit. Egal, was du auf dem Herzen hast.
Wenn Jugendliche unter 16 Jahren regelmäßig oder täglich Cannabis konsumieren, steigt das Risiko, dass ihre kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird: Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung leiden.
Es besteht auch die Gefahr, dass sie sich im emotional-sozialen Bereich nicht gesund entwickeln können. Dieses Risiko ist umso größer, je mehr Jugendliche den Konsum dazu nutzen, unangenehme Situationen und Gefühle erträglicher zu machen. Dadurch werden andere Fähigkeiten zur Bewältigung des Alltags oft nur schwach oder gar nicht ausgebildet.
Hilfe in der Nähe finden
Das Suchthilfeverzeichnis der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen e. V.
Hier finden Sie Anlaufstellen rund um das Thema Cannabis und Sucht allgemein: www.suchthilfeverzeichnis.de
Ausführliche Infomaterialien zum Thema Cannabis
https://www.dhs.de/infomaterial/cannabis-basisinformationen
https://www.dhs.de/infomaterial/cannabis-die-sucht-und-ihre-formen
https://www.dhs.de/infomaterial/kiffen-ist-riskant-ein-heft-in-leichter-sprache
