
Interview: Warum unsere Gesundheit digitaler wird
Das Gesundheitssystem ist in Bewegung. Denn: Die medizinische Versorgung in Deutschland wird zunehmend digitaler. Mit Sebastian Schulz, zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Digitale Medizin (DGDM), haben wir darüber gesprochen, weshalb das für eine Entlastung des Gesundheitssystems sorgen kann und welche Hürden es noch zu überwinden gilt.
Herr Schulz, die Digitalisierung verändert nahezu jeden Lebensbereich – auch die Medizin. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand der Digitalisierung des Gesundheitswesens?
Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg. In Deutschland ist aber die Regulatorik etwas sperrig. Damit meine ich zum einen die Gesetzgebung, aber auch andere Vorgaben, wie beispielsweise die Abrechnung von ärztlichen Behandlungen. Dadurch ist die Entwicklung bei uns etwas langsamer und ausgebremster als im internationalen Vergleich. Wir müssen noch viele Grundlagen schaffen.
Welche digitalen Entwicklungen halten Sie denn aktuell für besonders wegweisend?
Als Gesellschaft für Digitale Medizin schreiben wir regelmäßig Preise und Stipendien aus. Und was wir da sehen, ist, dass das Thema künstliche Intelligenz in allen Formen sehr wichtig geworden ist. Unsere aktuelle Promotionsstipendiatin arbeitet beispielsweise an einem KI-Algorithmus, um aus Bildern von Menstruationsblut eine Rückmeldung zur Frauengesundheit zu erhalten. Das ist ein spannendes Projekt, weil es mehrere Dinge verbindet: künstliche Intelligenz, das Thema Frauengesundheit, das häufig viel zu kurz kommt, und das Thema Menstruation, das oft noch als Tabu gilt. Außerdem liegt mir das Thema Telemedizin am Herzen – beispielsweise die digitale Überwachung von Intensivpatientinnen und -patienten, auch Remote Monitoring genannt. Dadurch können Oberärztinnen und -ärzte die Vitalzeichen der Menschen beobachten und Fachkräfte bei der Versorgung unterstützen, auch wenn sie selbst nicht vor Ort sind.
Ihre Gesundheit in Ihrer Hand
Die elektronische Patientenakte ermöglicht es Ihnen, alle wichtigen Informationen zu Ihrer Gesundheit in einer App zu bündeln. Mehr dazu erfahren Sie auf unserer Website unter: www.audibkk.de/epa
Diese Art der Versorgung betrifft vor allem Schwerstkranke. Inwiefern können denn digitale Tools helfen, Gesundheit im Alltag einfacher zu machen?
Apps von Krankenkassen und Gesundheitsversorgern können beispielsweise viel zur Prävention beitragen. Es gibt tolle Angebote, über die auf diesem Weg schnell und unkompliziert informiert werden kann. Vielleicht ist es zukünftig sogar möglich, die Anwendungen mit Gesundheits- und Diagnosedaten von Patientinnen und Patienten zu verknüpfen. Das könnte dabei helfen, dass die Programme den Menschen passende Präventionsangebote vorschlagen. Das ist einer der großen Mehrwerte solcher Anwendungen, weil es den Versicherten hilft, proaktiv etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Das ist aber natürlich auch eine Frage des Datenschutzes. Wie gewährleisten denn digitale Lösungen wie beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA), dass persönliche Daten sicher bleiben?
Das Sicherheitsniveau bei der elektronischen Patientenakte ist sehr hoch. Es gibt einen großen Anforderungskatalog, der vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vorgegeben ist und in dem die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz einen großen Teil umfassen. Das sind hohe Auflagen, die erfüllt werden müssen, damit die Daten in der ePA tatsächlich sicher sind. Dazu sind alle Anbieter verpflichtet. Gleichzeitig muss aber auch die Waage gehalten werden zwischen Nutzerfreundlichkeit und Datensicherheit. Die User müssen mit Spaß dabei sein und digitale Anwendungen gern nutzen. Nur so können sie Einzug in den Alltag halten.
Glauben Sie, dass digitale Innovationen, die sich durchsetzen, langfristig dazu beitragen können, das Gesundheitssystem zu entlasten?
Ich glaube an eine Mischkalkulation. Es wird auch digitale Innovationen geben, die erst einmal die Kosten erhöhen, dann aber auf lange Sicht für Entlastungen sorgen. Beispielsweise weil die Versicherten früher Präventionsangebote annehmen, gesünder leben und dadurch weniger häufig chronische Erkrankungen entwickeln. Das verbessert die Lebensqualität der Menschen und entlastet unser Gesundheitssystem.
„Das Sicherheitsniveau bei der elektronischen Patientenakte ist sehr hoch."

Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren?
Also ich erwarte, dass künstliche Intelligenz zunehmend Einfluss erhält. Das betrifft die Diagnostik, aber auch andere Bereiche, beispielsweise die Administrative. Ein Arzt des Uniklinikums Hamburg hat ein gemeinnütziges Unternehmen gegründet, das mithilfe von KI automatisierte Arztbriefe erstellt – einfach aus der Not heraus, weil zu viel Zeit für diese administrative Arbeit draufgegangen ist. Das ist eine spannende Entwicklung, denn die gesparte Zeit kommt Patientinnen und Patienten zugute. Der Fokus der medizinischen Fachkräfte wird wieder auf das gelenkt, was wichtig ist: die Menschen.
Tschüss Papierkram!
Mit unserer Service-App können Sie Anträge und Dokumente rund um Ihre Gesundheit ganz leicht managen – immer und überall. Mehr erfahren Sie auf unserer Website unter: www.audibkk.de/service-app
Bei aller Technik: Wie bleibt der Mensch in der digitalen Medizin im Fokus?
Patientinnen und Patienten müssen keine Angst haben, dass sie plötzlich nur noch mit einer KI oder einem Chatbot sprechen. Da werden wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren nicht sein – allein technisch nicht. Und ich glaube, auch vom Menschlichen her ist es so, dass auch medizinischen Fachkräften sehr viel daran liegt, immer noch den direkten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten zu haben. Gleichzeitig gibt es auch Patientenvertretungen, die sich in die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit einbringen. Die halten auch immer die Hand hoch und sagen: „Hey, Moment. Bei allem technischen Fortschritt, der hier passiert, vergesst nicht, dass wir immer noch das persönliche Gespräch schätzen und das Gefühl haben wollen, als Individuum wahrgenommen zu werden.“
Bildnachweis
Seiteneinstieg: Nensuria (istockphoto.com)
Artikelmitte: DanWu (istockphoto.com)
Zitat-Foto: Gene Glover